In allen Bereichen in Deutschland wird von Digitalisierung gesprochen. Aber wie digital ist eigentlich unsere Feuerwehr? Außer den handelsüblichen PCs mit ein paar Dokumenten zur Einsatzführung und Software für die Stoffrecherche bei Gefahrguteinsätzen gibt es nicht viel „digitales“ bei der Feuerwehr Loßburg – bis dato!
Mit diesem Artikel wollen wir Ihnen/Euch unser Projekt „digitale Einsatzunterstützung durch ein Einsatz-Informationssystem“ vorstellen, welches durch Kameraden der Abt. Loßburg ehrenamtlich geplant, entwickelt, konfiguriert und eingeführt wurde.
Wie alles begann…
Die Feuerwehr Loßburg, Abteilung Loßburg, suchte Mitte 2017 nach einem System, um bei Einsätzen alle verfügbaren Informationen digital aufzubereiten um diese dann visualisiert auf einem Bildschirm dazustellen.
Als Stützpunktfeuerwehr sind wir häufiger in „fremden“ Gebieten unterwegs. Den Einsatzkräften sind in der Regel die örtlichen Gegebenheiten unbekannt. So kam der Wunsch nach einer Anfahrts- und Übersichtskarte. Außerdem wurde unsere Alarm- und Ausrückeordnung (AAO) immer komplexer. Theoretisch sind aus der Kombination Ort-Stichwort weit über 100 Varianten möglich. Wer soll hier noch den Überblick behalten? Daher war der zweite Wunsch, die jeweilige AAO mit anzuzeigen.
Auf der Suche nach einem geeigneten System sowie ersten Tests, entschieden wir uns für ein Produkt von Feuer-Software (https://feuersoftware.com). Bei Feuer-Software gefällt uns, dass der EinsatzMonitor kostenfrei ist und somit in der ersten Phase keine Kosten produziert werden. Außerdem wird uns durch die belebte Community sehr schnell bei Problemstellungen geholfen. Ein weiterer Vorteil ist, dass jeder Verbesserungsvorschläge und wünsche zum Funktionsumfang mit einbringen kann.
Im Laufe des Projektes wurden dann weitere Funktionen, Komponenten und Programme miteinander verknüpft, sodass sich aus dem EinsatzMonitor unser Einsatz-Informationssystem (Abkürzung: EIS) entwickelt hat.
Die Funktionsweise…
Die wichtigste und zugleich schwerste Fragestellung kam gleich zu Beginn des Projekts: Wie schaffe schaffen wir es, dass bei einem Alarm das Einsatz-Informationssystems die Daten bekommt, um diese dann automatisch auszuwerten? Da die Leistelle erst einmal keine „Schnittstelle“ für Fremdsysteme unterstützt, müssen wir auf die heute schon üblichen Alarmierungswege zurückgreifen.
Dies ist zum einen die Alarmierung über digitale Meldeempfänger (DME) sowie über Fax. Der DME bietet den Vorteil, dass die Alarmierung sofort im EIS weiter verarbeitet werden kann. Ein Fax benötigt für die Übermittlung bis zu drei Minuten. Dafür bietet im Vergleich zum DME das Fax zusätzliche Informationen auf die wir ebenfalls nicht verzichten wollen.
Wir haben uns also entschieden, beide Alarmwege einzubinden. Die primäre Alarmierung über DME, danach eine Ergänzung der Alarmmeldung durch Informationen auf dem Fax. Dieses Vorgehen bietet uns zusätzlich eine Redundanz falls ein Alarmierungsweg ausfällt.
Der Entwicklungsprozess…
Begonnen hat alles mit einem PC, der mit einem 27“ Monitor in der Nähe des Alarmeingangs im Feuerwehrhaus aufgestellt war. Auf dem PC war nur die Software mit dem EinsatzMonitor von Feuer-Software installiert. Alle Einsatzkräfte, die bei einem Alarm das Feuerwehrhaus durch den Alarmeingang betreten, können nun den Bildschirm mit den visualisierten Informationen sehen.
Im zweiten Schritt wurde ein Drucker neben dem Monitor in Betrieb genommen um die Informationen in gedruckter Form mit auf die Fahrzeuge zu nehmen.
Der dritte Schritt war die Erweiterung um einen weiteren 40“-Monitor im Bereich der Umkleide.
Der größte Aufwand steckt aber wie so oft in der Programmierung und der Konfiguration der Software. Anfangs war es wichtig, erst einmal eine stabile Fax-Auswertung zu realisieren. Das heute eingesetzte Tool EM-OCR war zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfügbar. Also mussten die oben genannten Schritte zur automatischen Fax-Verarbeitung alle selbst geskriptet (programmiert) werden. Danke an die Community-Entwickler für das inzwischen tolle EM-OCR Tool, das die Auswertung nun deutlich komfortabler macht!
Inzwischen ist der EinsatzMonitor zum Einsatz-Informationssystem herangewachsen. Der PC wanderte als „Server“ in einen Technik-Schrank im Büro. Der Bildschirm in der Fahrzeughalle und der Bildschirm in Umkeidebereich sind mit dem mit dem Server verbunden (HDMI-over-LAN).
Weitere Funktionen sind nach und nach dazu gekommen. So wurde eine Verknüpfung zur Wasserkarte.info hergestellt. Der Fahrzeug-Funk-Status wurde mit in das System integriert. Dazu wird das 4m-Funksignal abgegriffen und per Zusatzsoftware „Bosmon“ ausgewertet. Ein weiteres Feature ist die Integration des Druckers auf dem ELW in das EIS. Außerdem wurde eine Überwachung des Haus-Stromnetzes implementiert. Sollte das Feuerwehrhaus einmal von einem Stromausfall betroffen sein, werden nun Führungskräfte per PUSH-Nachricht auf ihr Smartphone direkt darüber in Kenntnis gesetzt.
Neben dem „EinsatzMonitor“ ist inzwischen die komplette Produktpalette von Feuer-Software integriert. Teils im „Live-Betrieb“, teils im „Test-Betrieb“. Alle Anwendungen kommunizieren über die „Connect“-Cloud miteinander. Für unsere Führungskräfte nutzen wir die EinsatzApp. Auf unserem ELW nutzen wir das „EinsatzTablet“. Als gute Ergänzung zum „EinsatzTablet“ ist der „EinsatzManager“. Mit dieser Software können mehrere Einsätze parallel verwaltet werden um dann als Einsatzauftrag an die Fahrzeug-Tablets weiterzuleiten. Wenn alle Bausteine in einander greifen, kann hier von Feuerwehr 4.0 gesprochen werden ;-)
Was kann das Einsatz-Informationssystem (EIS) sonst noch so…
Mittlerweile kann die Software weit mehr als wir überhaupt brauchen und geschweige denn, woran wir in der Anfangsphase des Projektes gedacht haben. Es sind viele praktische Features hinzugekommen von denen wir hier ein paar kurz vorstellen wollen.
Standby-Anzeige
Außerhalb der Einsatz-Ansicht kann das EIS auch andere Informationen anzeigen. Wir verwenden die Standby-Ansicht zur Anzeige von folgenden Informationen: Einsatzübersicht, statistische Auswertung der Einsätze, News, Unwetterkarten, oder den aktuellen Funkstatus der Fahrzeuge. Die Reihenfolge und die Anzeigezeiten können dabei beliebig geändert werden. Man kann also auch die aktuelle Fußball-Tabelle der Bundesliga anzeigen lassen ;-)
Alarmausdrucke
Bei aller Digitalisierung war es uns wichtig, alle Einsatz-Informationen automatisch auf ein Papier drucken zu lassen. Dazu fertigten wir eine nach unseren Anforderungen passende Druckvorlage. Bei einem Einsatz druckt nun ein Farbdrucker in der Fahrzeughalle in mehrfacher Ausfertigung die Alarmdepesche aus. Ebenso konnten wir durch Koppelung der Netzwerke ELW und Feuerwehhaus erreichen, dass auch der Drucker im ELW angesprochen werden kann. So hat der Einsatzleiter immer die Alarmdepesche zur Hand.
Die Depesche enthält neben den Fax-Informationen wie Stichwort, Sachverhalt, Adresse, Anrufer, Besonderheiten und alarmierte RICs auch ein Bild der Anfahrtsroute, eine Übersichtskarte mit allen Hydranten im Umkreis und eine Liste aller Fahrzeuge die für dieses Ereignis abrücken.
So kann die Feuerwehr-Führungskraft direkt sehen welche Einheiten sonst noch mit alarmiert wurden.
Alarm- und Ausrückeordnung
Auf der Cloud-Plattform „Connect“ ist eine Auflistung aller möglichen Stichworte in Kombination zu allen Ortsteilen hinterlegt. Sollte bspw. Ein Wohnhausbrand (B4) in Glatten sein, so gibt es eine andere Ausrückeordnung als bei einem B4 in Loßburg. Bei einem Einsatz zeigt nun der Monitor in der linken Spalte die komplette Ausrückeordnung inkl. der Abrückereihenfolge der Fahrzeuge an.
Wird beim ausrückenden Fahrzeug ein FMS-Status abgesetzt, wird dieser in der AAO Übersicht mit angezeigt. Nachrückende Kräfte sehen also auf dem Monitor ob z.B. der Einsatzleitwagen noch „auf Anfahrt“, oder schon „Einsatzstelle an“ ist.
Wasserkarte
Parallel zum Einsatz-Informationssystem haben wir das Projekt Wasserkarte.info gestartet. Ziel ist, alle Hydranten im gesamten Gemeindegebiet digital zu erfassen.
Aktuell sind 1200 Hydranten per GPS erfasst worden. Die Integration der Wasserkarte im EIS ermöglicht nun, dass die angezeigte Karte alle Hydranten im Umkreis zur Einsatzstelle enthält. Dies ist sowohl auf dem Bildschirm der Fall, als auch in den App-Anwendungen EinsatzApp und EinsatzTablet.
EinsatzApp
Feuerwehr- und Abteilungsführung nutzen die EinsatzApp um gegenseitig ihre Verfügbarkeit einzusehen. Außerdem bietet die App Möglichkeiten zur Navigation, Kartendarstellung, Kalenderfunktion und die Einsatz-Rückmeldung mit „komme“ „komme nicht“ oder „komme später“. Ebenso ist es möglich den aktuellen Funkstatus der Fahrzeuge einzusehen. In Einsatzfall wird so beispielsweise angezeigt ob ein Fahrzeug bereits "S3" oder "S4" ist.
Einige Feuerwehren nutzen die App auch als primäres Alarmierungsmittel. Wir haben uns jedoch entschieden, die EinsatzApp vorerst nicht an alle als Alarmierungs- und Rückmeldemitttel auszugeben. Hier setzen wir weiterhin auf Funkmeldeempfänger als primäres Alarmierungsmittel – wenn auch ohne Rückmeldefunktion.
EinsatzTablet
Aktuell wird auf dem ELW die App EinsatzTablet getestet. Dabei handelt es sich um eine App für ein beliebiges Android- oder IOS-Tablet. Voraussetzung ist ein Online-Zugriff der entweder über eine SIM-Karte im Tablet oder über das WLAN des Einsatzleitwagens sicher gestellt ist.
Das EinsatzTablet bietet eine Übersichtskarte (Google Maps) inkl. der Hydranten aus der Wasserkarte sowie den Live-Standort der anderen Fahrzeuge mit EinsatzTablet. In der Fahrzeugübersicht wird der aktuelle Funk-Status des Fahrzeugs angezeigt. Außerdem kann eine Übersicht mit allen Informationen angezeigt werden. Wie z.B. wer hat den Brand gemeldet oder gibt es Besonderheiten?
Ein weiterer Vorteil ist, dass das Tablet auch als Navigationsgerät verwendet werden kann. Die Ziel-Adresse wird bei einem Alarm gleich eingespielt.
Connect
Connect ist die "zentrale" Daten-Plattform unseres EIS, eine sogenannte "Cloud". Alle Geräte, Apps und Dienste sind mit dieser Plattform verbunden und bekommen daher ihre Daten. Informationen wie die AAO, die Alarmgruppen die im Einsatzfall alarmiert werden sowie der Fahrzeugbestand wird in Connect gepflegt und stehen somit Systemweit zur Verfügung.
Ein großer Vorteil der Connect Cloud ist die Konnektivität mittels privater Schnittstelle (API) und Webhooks (Benachrichtigungen). Zur Erklärung: Eine API kann mit etwas Programmiererfahrung individuelle angesteuert werden um Informationen abzurufen oder zu erzeugen. So nutzen wir bspw. die API um bei einem Fahrzeug-Status 6 automatisch eine Push-Nachricht an die Führungskräfte zu senden. Geht das Fahrzeug wieder in Status 2, wird die Nachricht wieder gelöscht. Mit Webhooks können Automationssysteme oder SmartHome angesteuert werden. Beispielsweise kann bei einer Alarmbenachrichtigung nachts das Licht im Hausgang anschaltet werden oder das Garagentor öffnen. Somit ergeben sich über die Connet Cloud nahezu unbegrenzte Möglichkeiten der Individualisierung.
Auch das Thema Datenschutz wird groß geschrieben. Die Connect Cloud läuft in einer Microsoft Azure Deutschland Umgebung (Frankfurt und Magdeburg), die alle gängigen Zetifizierungen zum Datenschutz erfüllt - unteranderem die C5-Zertifizierung des BSI.
Ausblick – wo wollen wir hin….
Das Einsatz-Informationssystem bietet noch viele Funktionen die wir noch gar nicht nutzen. Außerdem wird das System rasant schnell durch die Entwickler und die Community weiterentwickelt, so dass immer wieder neue Funktionen dazu kommen.
EinsatzTablet
Wir streben einen kontinuierlichen Ausbau der Tablets auf den Fahrzeugen an. Da immer mehr Funktionen in die App wandern, wird diese der zukünftige Dreh- und Angelpunkt sein. Es ist außerdem die günstigste Möglichkleit Abteilungen an das EIS anzubinden.
EinsatzManager
Der EinsatzManager ist eine Software mit der mehrere Einsätze gleichzeitig verwaltet werden können. Z.B. bei Flächenlagen wie Unwetter.
Einsätze die über das EIS reinkommen, können mit dem Manager bearbeitet, und an die Fahrzeug-Tablets übertragen werden. So können Feuerwehr-Einheiten wie moderne Logistik-Unternehmen digital Aufträge erhalten und diese abarbeiten.
EinsatzApp
Auf die EinsatzApp mit den von uns genutzten Funktionen sind wir bereits eingegangen. Auch wenn wir in Zukunft die App nicht als primäres Alarmierungsmittel für alle Kameraden einsetzen wollen, so bietet sie trotzdem viele Möglichkeiten zur internen Organisation. Es lassen sich z.B. Termin-Ereignisse erstellen bei denen man sich „anmelden“ kann, Fahrzeugreservierungen für z.B. Mannschaftstransporter können verwaltet werden, oder einfach nur News-Beiträge erstellen um alle Kameraden über Neuigkeiten informieren.
Wo sind die Grenzen des (digitalen) Systems…
Die Grenzen sind sowohl menschlich als auch technisch bedingt. Viel hängt von der Qualität der von der Leitstelle zur Verfügung gestellten Informationen ab. Wenn bspw. der Leitstellendisponent das Feld Hausnummer mit dem Text befüllt „gegenüber vom Metzger“ oder das Feld Straße mit: „nach dem Rathaus die dritte links“, kann verständlicherweise keine automatisierte Weiterverarbeitung mehr erfolgen.
Gerade bei Ereignissen ohne konkrete Adresse bspw. Verkehrsunfällen kommt das System ebenfalls an die Grenzen. Die Adresse lautet in diesem Fall ähnlich wie: „B 294 Richtung Freudenstadt“. Hier wäre die Übermittlung von Koordinaten sinnvoll, was unsere Leistelle jedoch nicht unterstützt - bisher.
Klar ist auch, dass mit Tablets, Clouds und co. keine Feuer gelöscht werden. Auch müssen wir immer damit rechnen, dass bei Flächenlagen wie Unwetter oder Stromausfall kein Internet, Fax oder Strom für unseren Server zur Verfügung steht. Auch „normale“ technische PC-Probleme können das EIS-System lahmlegen.
Machen wir uns nichts vor. Eine Feuerwehr kann keine Hochverfügbarkeitssysteme mit redundanten Anbindungen etc. vorhalten, wie es bspw. in großen Industriebetrieben der Fall ist. Müssen wir aber auch nicht!
Wir sehen unser Einsatz-Informationssystem System als eine sinnvolle Ergänzung für alle Einsatzkräfte. Es bietet neben einem gewissen Komfort, schnelle und zusätzliche Informationen für unser „Tagesgeschäft“. Nichts destotrotz kann der Tag kommen, an dem die oben genannte Flächenlage mit Stromausfall eintritt. Darauf sind wir aber auch vorbereitet. Wir pflegen weiterhin die Einsatzordner aus der guten alten analogen Welt. Und nicht zuletzt braucht es eine motivierte, gut ausgebildete und schlagkräftige Truppe um Einsätze auch in Zukunft erfolgreich abzuarbeiten!